Kino für Internationale Solidarität: Doku über die weltweiten Massenproteste gegen den Irakkrieg unter dem Motto „Kein Krieg für Öl“

Titelbild: We are many

Dienstag, 18. April 2022, 19:30 Uhr
Hörsaal V, Uni-Hauptgebäude

Seit jeher gehört es zu den Mitteln rhetorischer Kriegführung, jene zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sich für eine friedliche Lösung internationaler Konflikte engagieren, in das Lager des zu bekämpfenden „Feindes“ zu stecken. Man ist jedoch auch aktuell kein Parteigänger des russischen Präsidenten, wenn man aus humanistischen Motiven begründet bezweifelt, dass es den selbsternannten „Verteidigern der westlichen Werte“ in der Ukraine und anderswo tatsächlich und ausschließlich um Freiheit, Demokratie, Frieden und Völkerrecht ginge. Die bis in die Gegenwart reichende Geschichte zeigt vielmehr, dass jener „Westen“ nur allzu willentlich bereit ist, all diese Werte mitsamt der öffentlichen Meinung mit Füßen zu treten, sobald es irgendwo auf der Welt lukrative Geschäfte zu machen gibt, die den notleidenden nationalen Rüstungs-, Energie- und Mineralölkonzernen saftige Extraprofite versprechen.

Gravierendster Beleg dieser interessegeleiteten Heuchelei ist der vor exakt 20 Jahren von den USA und Großbritannien begonnene, völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak, der bis heute über 1 Millionen ziviler Opfer forderte und die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens politisch, sozial und kulturell tiefgreifend destabilisiert hat. Er ist zugleich derjenige Kriegseinsatz einer westlichen Militärallianz, der die bis heute vehementeste Gegnerschaft in Form einer global agierenden Friedensbewegung erfuhr, aus deren Wirken weitreichende Schlussfolgerungen für die heutige Schaffung einer zivilen Entwicklung und einer nachhaltigen Weltfriedensordnung zu ziehen sind.

Der Film „We are many“ des iranisch-britischen Regisseurs Amir Amirani dokumentiert auf eindrucksvolle Weise die Entstehungsgeschichte, Hintergründe und historisch-tiefgrei­fenden Nachwirkun­gen der damaligen An­tikriegsproteste, die am 15. Februar 2003 in der bis dahin größten, koordinierten Manifestation der Menschheitsgeschichte gipfelten: über 30 Millionen Menschen in 789 Städten, verteilt auf 72 Länder auf allen Kontinen­ten (inklusive der Ant­ark­tis), sagten mit ver­ein­ten Kräften „NEIN!“ zu den verlogenen Plänen der sog. „Operation Iraqi Freedom“.

„Erhebt Euch wie Löwen nach dem Schlummer
In unüberwindlicher Zahl!
Schüttelt Eure Ketten ab wie Tau,
Der im Schlaf auf Euch gefallen ist:
Ihr seid viele – sie sind wenige.“
‟Rise, like lions after slumber
In unvanquishable number!
Shake your chains to earth like dew
Which in sleep had fallen on you:
Ye are many—they are few!”

Percy B. Shelley, ‟The Masque of Anarchy”, 1819.

Die offizielle Rechtfertigung für den westlichen Waffengang bestand schon damals darin, dass für die Verteidigung der westlichen Werte, die mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 an­ge­griffen worden seien, eine militärische Ant­wort notwendig und zur Beseitigung eines blutrünstigen Diktators wie Saddam Hussein, der zudem mit Massenvernichtungswaffen den Weltfrieden bedrohe, jedes Mittel gerechtfertigt sei. Dem widersprachen bereits am 12. September 2001 einige sehr wenige, unerschrockene Pazi­fist:in­nen und Antimilitarist:innen, indem sie da­rauf hinwiesen, dass die hergestellten Be­gründungs­zu­sam­menhänge konstruiert bzw. höchst einseitig um den westlichen Beitrag zur Förderung des Saddam-Regimes verkürzt seien und hinter der „Werte“-Rhetorik lange gehegte Invasionspläne gegen den Irak steckten, um endlich westlichen Zugriff auf die immensen Öl-Reserven des Landes zu erlangen. Aus dieser couragierten Initiative der sofort als „Terroristenfreunde“ verschrienen Kriegsgeg­ner:in­nen wurden in zwei Jahren un­er­müd­li­cher Aufklärungs- und Über­zeu­gungs­ar­beit Mil­lionen welt­weit. Ihr Wirken konnte den „Krieg für Öl“ zwar nicht verhindern. Das vehemente Friedens­engagement veränderte den gesellschaftlichen Diskurs jedoch nachhaltig und grundlegend. Die politischen Ent­scheidungsträger wa­ren mit ihren Lügen zur Kriegsführung – wie zu den erfundenen Mas­sen­vernichtungs­waffen im Irak – desavouiert. Von allen unabhängigen Organen der Vereinten Nationen und vom historischen Gang der Entwicklung erhielten die Motive der Friedensbewegten Recht. Ihr Engagement gegen den Krieg und dessen Parteigänger legte zudem den Grundstein für das spätere demokratisch-revolutionäre Aufbegehren im „Arabischen Frühling“ und für das Erstarken weiterer Menschenrechtsbewegungen weltweit.

Mit der bewegenden Illustration dieser Wirkungszusammenhänge vermittelt der Dokumentarfilm entscheidende Erkenntnisse von aktuell drängender Relevanz: Frieden erfordert den Mut initiativer Aufklärung. Er ist die Überwindung jeglicher Form von Gewalt zur bewussten, planvollen, demokratischen und solidarischen Gestaltung global menschenwürdiger Lebensverhältnisse. Er wird nicht zwischen Nationen entschieden, sondern zwischen Oben und Unten. Wenn die schweigende, übergroße Mehrzahl dazu kommt, ihr global einigendes Interesse am Frieden begründet zu artikulieren, entfaltet sie eine ent­waffnende Kraft, der sich auf Dauer niemand entziehen kann. Wir sind viele – sie sind wenige.